Wie es der Raiffeisenverband Salzburg mit einer agilen Haltung schafft, sich mit Authentizität der digitalen Zukunft zu stellen.
Wenn Marcel Hirscher und Hermann Maier von Raiffeisen Werbebannern lachen, dann sollen sie damit nicht nur Aufmerksamkeit erregen, sondern auch für die Regionalität und Persönlichkeit des Unternehmens stehen. Von der Herausforderung diesen Kernwerten treu zu bleiben, und trotzdem modernstes digitales Service bieten zu können, davon spricht Markus Aichhorn, Leiter der Softwareentwicklung beim Raiffeisenverband Salzburg. „Diesen Spagat können wir nur mit Agilität leisten“, sagt er und erzählt in einem Interview davon, wie der agile Spirit beginnt, das ganze Unternehmen zu erfassen.
Setting Milestones: Das Bankenwesen hat wohl eines der herausforderndsten Jahrzehnte seiner Geschichte hinter sich. Inwiefern spüren das die IT-Abteilungen der Institute?
Markus Aichhorn: Banken müssen seit einigen Jahren mit Herausforderungen kämpfen, die sie aus der Vergangenheit nicht gewohnt waren. Zuallererst ist es natürlich die schlechte Ertragslage, bedingt durch das niedrige Zinsniveau und die schwierige Situation am Wertpapiermarkt, die Banken fordern. Dem gegenüber stehen gestiegene Aufwände, um das wachsendes Pensum an Richtlinien und Vorgaben erfüllen zu können. Die dritte Front ist der sich durch die Digitalisierung ergebende herausfordernde Kontext, der Banken zwingt, völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, um sich gegen neue Finanzdienstleister zu behaupten. Das alles erzeugt natürlich einen Wind der Veränderung, der Banken unter Druck setzt und Nervosität erzeugt.
Im Zuge dieser Entwicklungen veränderte sich auch die Bedeutung der IT-Abteilungen in den Banken. Während diese früher vorwiegend als klassische Support-Abteilungen fungierten, erwartet man von ihnen heute, Innovator zu sein und das Thema Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben. Darüber hinaus setzt man beim Thema Kostensenkung auch noch auf sie – sie sollen durch gezielte Automatisierungsmaßnahmen die Kosten im Unternehmen senken.
Hohe Erwartungshaltungen an Ihre Abteilung! Kann Ihre Abteilung diese Erwartungen erfüllen?
Natürlich hat sich damit auch der Druck in unserer Abteilung erhöht. Zugute kommt uns, dass wir schon immer inhaltliche Verantwortung übernehmen wollten, Mitgestalter und Vordenker waren und dies auch vom Unternehmen unterstützt wurde. Mehr denn je suchen wir aber heute die enge Zusammenarbeit mit den einzelnen Fachabteilungen, denn nur so können wir Lösungen anbieten, die unsere Kunden brauchen und gleichzeitig ein authentisches Profil nach außen kommunizieren. Ganz konkret betrifft das zum Beispiel die Bewältigung des Spannungsfeldes einerseits moderne, digitale Lösungen anzubieten, die insbesondere junge Kunden fordern, und andererseits die Kernwerte des Raiffeisenverbandes, der für regionale Verantwortung , Kundenvertrauen und Nachhaltigkeit steht, zu stärken.
Digitalisierung mit Gesicht – gleichermaßen unsere zentrale Herausforderung wie auch unsere große Chance!
In Ihrem Vortrag auf der AGILE SALZBURG werden Sie darüber sprechen, wie Sie Scrum in Ihrer Abteilung eingeführt haben. Denkt man an agile Unternehmen, fällt den meisten womöglich nicht der Raiffeisenverband ein. Wie agil arbeitet der Raiffeisenverband wirklich?
Selbstverständlich werden Finanzdienstleister, wie auch Unternehmen aus dem Gesundheitswesen oder der öffentlichen Verwaltung immer genau definierte Prozesse mit dokumentierten Kontrollsystemen benötigen, weil sie Vorgaben, Richtlinien und Gesetze erfüllen müssen. Betrachtet man aber Agilität als das Bestreben innerhalb dieser Gegebenheiten agile Prinzipien wie Kundennähe, Zusammenarbeit auf Augenhöhe oder abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu leben, dann sehe ich den Raiffeisenverband doch ganz vorne mit dabei. Natürlich kann das in vielen Fällen ein herausfordernder Spagat sein – den wir aber gezwungen sind zu bewältigen, wollen wir auch noch in Zukunft am Markt mitmischen.
Ihre Abteilung hat sich 2014 mit Scrum der agilen Welt genähert. Wie hat alles begonnen und was hat sich seitdem getan?
Wir haben klein angefangen – indem zwei Entwicklungsteams ihre Arbeitsweise auf die Methode Scrum umstellten. Als wir erkannten, dass das gut funktionierte, begannen wir nach und nach weitere Entwicklungsteams für diese Methode zu gewinnen. Zu jeder Zeit aber war uns eine sehr sorgfältige, geordnete Umstellung wichtig. Wir versuchten immer zuerst die Rahmenbedingungen zu verändern, sodass es den Beteiligten auch wirklich möglich war, die Veränderung zu leben. Wir merkten sehr schnell, dass die Umstellung auf agile Arbeitsweisen zwar von Beginn an gut funktionierte, allerdings auch Zeit brauchte, um wirklich nachhaltig zu sein.
Als wir mit Scrum begannen, war Agilität für uns eine Methode. Heute ist es eine Art und Weise an Dinge heranzugehen, die funktioniert und zukunftsfähig ist!
Was konnten Sie als Führungskraft dazu beitragen, um diese Veränderungen voranzutreiben?
Zum einen braucht es natürlich die richtigen Leute. Wir sind auch bei Raiffeisen nicht auf der grünen Wiese gestartet und es war wichtig auch jene Beteiligten mitzunehmen, die sich mit der Veränderung schwerer getan haben. Auch bei den Mitarbeitern, die in den letzten Jahren neu zu uns gekommen sind, haben wir darauf geachtet, dass diese die neue Kultur authentisch und aus Überzeugung leben und so zur kulturellen Transformation beitragen.
Ein weiterer, wesentlicher Hebel ist das Thema Vorbildwirkung und Authentizität. Um wirkliche Veränderungen in der Kultur vorantreiben zu können, müssen die Mitarbeiter diese dem Unternehmen auch abkaufen. Agilität als strategisches Ziel aufzunehmen oder es werbewirksam zu promoten, aber es im Endeffekt zur Worthülse verkommen zu lassen, wird nichts bewirken. Insbesondere die Führungskräfte sind hier ein entscheidender Faktor. Sie müssen die geänderten Rahmenbedingungen und Werte auch wirklich authentisch vertreten und voll dahinter stehen.
Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die definierten Werte gelebt werden können, das ist für mich persönlich die zentralste Aufgabe einer Führungskraft, wie sie kulturelle Veränderung unterstützen kann und soll.
Nun mag sich in den Köpfen Ihrer Mitarbeiter Entscheidendes getan haben. Trotzdem werden Sie häufig in einem Kontext arbeiten müssen, der diese Transformation noch nicht durchgemacht hat. Wie schafft man es als agiles Team in einer weniger agilen, doch noch sehr traditionell geprägten Umgebung zu arbeiten und vor allem, dort auch agil zu bleiben?
Das ist trotz einer unternehmensweiten Tendenz in Richtung Agilität immer wieder eine Herausforderung. Es kann zum Teil frustrierend sein, wenn man sich plötzlich in Prozessen wiederfindet, von denen man geglaubt hat, sie nie wieder erleben zu müssen. Es braucht aber auch viel Selbstreflexion, um nicht immer wieder in traditionelle Denkweisen zurückzufallen – immerhin wurden die meisten von uns in traditionellen Strukturen geprägt.
Vor allem aber braucht es einen langen Atem, um Herausforderungen Stück für Stück zu bewältigen und sich nicht dem Trugschluss hinzugeben, dass wir jetzt viele Probleme nicht mehr hätten, nur weil wir jetzt agil arbeiten. In diesem Kontext kommt den Führungspersonen natürlich die enorm wichtige Aufgabe zu, ständiger Fackelträger für die Veränderung zu sein, die man gerne sehen möchte. Eine herausfordernde Aufgabe, die nur dann wirklich bewältigt werden kann, wenn man die richtigen Wegbegleiter hat.
Sind Sie in den vergangenen Jahren in Ihrem Transformationsprozess auch hin und wieder gestolpert?
Natürlich machten auch wir Fehlentscheidungen, aus denen wir gelernt haben. Die richtige Besetzung von Schlüsselrollen, wie Scrum Master und Product Owner, ist ein Beispiel dafür. Wir haben unseren Blick dafür geschärft, welche Kompetenzen diese Rollen mitbringen müssen und sind diesbezüglich auch weniger kompromissbereit als wir es in der Vergangenheit waren.
Welche Themen werden es sein, die Sie in Zukunft beschäftigen werden? Werden Sie Ihr Unternehmen darin unterstützen, sich mehr und mehr zum digitalen Finanzdienstleister zu entwickeln, um der wachsenden Konkurrenz der Direktbanken entgegenwirken zu können? Wo wird die Richtung hingehen?
Der Raiffeisenverband Salzburg wird natürlich auch in Zukunft versuchen, den Kunden modernstes digitales Service zu bieten, allerdings dabei nicht auf seine Kernwerte wie Kundenvertrauen, Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein für die Region verzichten. Wir glauben, damit nicht nur unserer Positionierung treu zu bleiben, sondern auch dem gesellschaftlichen Trend nach Regionalität, Nachhaltigkeit und Vertrauen Genüge zu tun. Um das gewährleisten zu können, sind wir als Organisation natürlich gefordert und das wird sich nur mit zunehmender Agilität umsetzen lassen.
Gut zu wissen, wenn Sie mit Ihren Produkten und Dienstleistungen möglichst nahe am Kunden sein möchten. 3 Take-aways von Markus Aichhorn:
1 – “Knowledge Workers cannot be managed as subordinates; they are associates” – der Management-Vordenker Peter F. Drucker bringt es auf den Punkt, wenn es darum geht, wie man mit Mitarbeitern umgehen soll. Gewähren Sie Ihren Mitarbeitern Entscheidungsfreiheit und vertrauen Sie ihnen – nur so können Produkte und Services entstehen, die sich an den Bedürfnissen der Kunden und nicht an den Vorstellungen der Führungskräfte orientieren.
2 – Geben Sie sich nicht damit zufrieden, die Wünsche Ihrer Kunden zu erfüllen. Stellen Sie an sich selbst den Anspruch, Ihre Kunden zu begeistern! Vergessen Sie dabei nicht, dass es Ihre Haltung ist, die Ihr Verhalten lenkt!
3 – Bleiben Sie authentisch! Langfristige Kundenbeziehungen können Sie nur aufbauen, wenn Sie das Vertrauen Ihrer Kunden gewinnen – das passiert über Integrität und Authentizität!
Nach seinem Wirtschaftsinformatikstudium und Berufseinstieg bei einem Unternehmensberater, entschied sich Markus Aichhorn in den vergangenen 20 Jahren seiner beruflichen Laufbahn für eine Branche, die wohl wie kaum eine andere von enormen Herausforderungen geprägt war: die Finanzbranche. Mittlerweile leitet er beim Raiffeisenverband Salzburg die Softwareentwicklung und ist in dieser Position für einen Bereich innerhalb des Finanzdienstleisters verantwortlich, der eine strategisch wichtige Schlüsselstelle für die Unternehmensentwicklung ist. Um dieser Entwicklung gerecht werden zu können, hat sich Markus Aichhorn bereits 2014 mit seinem Team mit Scrum auf den Weg in Richtung Agilität gemacht und konnte damit nicht nur seine Entwicklerteams flexibler machen, sondern auch die gesamte Organisation mit dem agilen Spirit anstecken.
Das Interview führte Birgit Schreder-Wallinger