Die KEBA-Organisiertheit

„Irgendwann mussten wir uns eingestehen, dass unsere Managementgrundsätze aus einer Zeit stammten, die einfach vorbei war“, erzählt Gerhard Luftensteiner, CEO der Firma KEBA, einem international agierendem Unternehmen im Bereich Automatisierung mit Sitz in Linz. Luftensteiner hat sich daraufhin auf die Suche gemacht, mit seinem Vorstandskollegen diskutiert, sich mit Experten ausgetauscht, so viel gelesen wie seit seinem Studium nicht mehr und ist zu folgendem Schluss gekommen: „KEBA braucht eine neue Organisiertheit, wollen wir aus der VUKA-Welt heil rauskommen!“

 

 

Heute, fünf Jahre nach Luftensteiners Erkenntnis, hat KEBA diesen neuen Weg gefunden. Unter dem Begriff „KEBA-Organisiertheit“ vereint das Unternehmen seine Werte und Prinzipien und deren Entsprechung in Strukturen und Prozessen. Und diese wurden radikal verändert! „Wir wussten, dass der Umbruch ein monumentaler sein würde, immerhin ist KEBA kein hippes Start-up aus dem Silicon Valley, sondern ein österreichisches Traditionsunternehmen mit über tausend Angestellten“, erinnert sich Luftensteiner. Wo früher klassische Hierarchiestufen waren, herrscht heute Ordnung ohne zentrale Steuerung. Wo früher bottom-down entschieden wurde, gilt heute das Consent-Prinzip. Wo man früher über seine Position Macht ausübte, herrscht heute eine dynamische Zuordnung von Rollen je nach Wissen und Fähigkeiten. KEBA hat den Umbruch geschafft und kann nicht nur auf ein wirtschaftlich erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken – 32% Wachstum parallel zu einer intensiver interner Weiterentwicklung – , sondern auch auf eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit, eine geringe Fluktuation und eine hohe Arbeitgeberattraktivität.

Dass das nicht immer so war, daran erinnert sich auch Luftensteiner noch gut: „Wir sind ein Unternehmen voller Techniker, die versuchten, Menschen wie Maschinen zu organisieren.“ Passierte irgendwo ein Fehler, wurde eine neue Regel aufgestellt und niedergeschrieben. Das Ergebnis waren Handbücher mit hunderten von Seiten, die kaum jemand las, damit wenig zur Weiterentwicklung beitrugen und schon gar kein Feuer bei den Mitarbeitern entfachten. Letzteres tat der Wandel natürlich auch nicht von Beginn an. Da gab es Zweifel an den Motiven und der Wirksamkeit des Neuen und natürlich auch Ängste – insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsplatzsicherheit. KEBA ging darauf ein, indem es Informationen transparent machte und die komplette Belegschaft laufend auf den aktuellen Stand holte. Darüber hinaus wurden zahlreiche Gremien und Feedbackgruppen eingerichtet – alle mit dem Ziel, den Dialog intensiv zu fördern, Mitarbeiter einzubinden und Ängste abzubauen.

Maßgeblich dafür aber, dass das Vorhaben ernst genommen und ihm letzten Endes auch Vertrauen geschenkt wurde, war die Tatsache, dass die Veränderung bei der Unternehmensführung begann. „Irgendwann stieg ich in Jeans und mangels eines Podests einfach den Empfangstisch in unserer großen Lobby, in die wir die gesamte Linzer Belegschaft eingeladen hatten, und erzählte ihnen von unserer Vision“, erinnert sich Luftensteiner schmunzelnd. Er sprach dabei nicht zuerst von steigenden Umsatzzahlen oder Marktanteilen, sondern von Innovation, Leidenschaft und einem Miteinander, in der jeder das tun kann, was er am besten kann und auch wirklich tun will! Mit der Aufforderung an die Belegschaft, herauszufinden was dies sei, endete Luftensteiner  und machte sich sogleich an seinen Teil der Arbeit: Jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die sicherstellten, dass auch jeder tun konnte, worin er wirklich gut war. Mit von Kollegen gewählten Vertretern aus allen Bereichen der Organisation wurde die Gestaltung der neuen KEBA Organisiertheit begonnen. Kurze Zeit später konnten bereits erste Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten erste temporäre Rollen übernehmen, bevor im August 2017 das gesamte Unternehmen auf die neue Form der Zusammenarbeit umgestellt wurde.

Dass KEBA für die Darstellung seiner Organisiertheit eine Blume verwendet, ist wohl kein Zufall. Immerhin war die grundsätzliche Aussage der Theory Y, dass Menschen von Natur aus motiviert und leistungsbereit sind und sie lediglich eine Umgebung brauchen, die sie zum Erblühen bringt – ein Leitgedanke der gesamten Neustrukturierung. Im Zentrum der KEBA Organisiertheit stehen die Werte und Prinzipien des Unternehmens – sie sollen das Miteinander im Unternehmen leiten und sind deshalb einfach und anwendbar formuliert: „Tu das, was du auch zu Hause tun würdest“ oder „Keiner schadet einem anderen“ geben einen klaren Rahmen vor, innerhalb dessen „eingeladen, ermutigt und inspiriert“ werden soll. Dass man dabei nur lernen und nie auslernen kann, zeigt auch KEBAs Handlungsprinzip „fail fast to improve fast“ und die Einstellung der Unternehmensführung hinsichtlich Weiterentwicklung: „Wir müssen unseren Konkurrenten eine Nasenlänge voraus sein, und das geht nur, wenn wir das Ohr genau am Kunden haben“, verrät Luftensteiner. Das Ohr am Kunden haben bei KEBA jene Personen, die direkt mit den Kunden arbeiten. KEBA hat diese Personen mit Gestaltungs- und Entscheidungsbefugnis ausgestattet. Sogenannte Wasserlinien definieren die Entscheidungsgrenzen, aber innerhalb dieser gilt das Consent-Prinzip: Jeder Beteiligte kann einen Vorschlag machen und wenn keine substanziellen Einwände vorgebracht werden, wird der Vorschlag auch so umgesetzt. „Der Vorteil dabei ist“, erklärt Luftensteiner, „dass Entscheidungen von Experten und Könnern getroffen werden und nicht von einem Manager, der möglicherweise weder direkten Kundenkontakt hat, noch wirklich tiefesinhaltliches Know-how besitzt.“

Um diese „end-to-end-Verantwortung“ umsetzen zu können, entschied sich KEBA für Holacracy. Holacracy ist eine Form der Unternehmensführung, die Arbeit in dynamischen Rollen organisiert und Verantwortung sowie Entscheidungsbefugnis ebenfalls über diese Rollen definiert. Den Manager, der alleinige Autorität über diverse Themenfelder und Mitarbeiter hat, gibt es bei KEBA nicht mehr, ebenso wie das pyramidenförmige Organigramm. Stattdessen gleicht die KEBA- Organisiertheit jetzt einem großen See mit Inseln, die sich über Themen und nicht über Kompetenzen definieren (Abb.).

KEBA hat schwimmen gelernt in diesem See, doch auch Luftensteiner weiß, dass die VUCA-Welt ein Ausruhen auf diesen ersten Erfolgen die nicht erlauben würde. „Wir müssen nach und nach lernen, unser Denken noch mehr auf die Welt von morgen auszurichten“, so der CEO, „denn wie schon John M. Keynes sagte, liegt die größte Schwierigkeit der Welt nicht darin, Leute dazu bewegen, neue Ideen anzunehmen, sondern alte zu vergessen.“

 

KEBA AG

1.200 Mitarbeiter / Hauptsitz in Linz

Ob es um Automatisierungslösungen für die Industrie, für Logistik, den Bankenbereich, Heizungssteuerung oder E-Mobilität geht – die Vision des österreichischen Traditionsunternehmens ist es, in allen Bereichen Lösungen zu schaffen, die bestehende Verfahren vereinfachen, schneller machen oder völlig neue Anwendungen bringen. Das realisiert das Unternehmen an unterschiedlichen Standorten in zahlreichen Ländern der Welt.

Holocracy

Der Begründer dieser Methode, Brain J. Robertson, beschreibt Holacracy als eine „soziale Methodik für die Führung und Arbeitsweise einer Organisation“. Die Kernelemente dieser Methodik sind eine agile Organisationsform, neue Entscheidungswege, die Teams und Individuen mehr Autonomie geben, ein Meeting-Prozess, der Kollaboration und Aktualität bringt, und ein Set an Spielregeln, das Verhalten festlegt und Verantwortung neu verteilt. Mehr dazu lesen Sie in Robertsons Buch „Holocracy. Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt“, erschienen im Vahlen Verlag oder auf seiner Website .